01 | 09 | 2001 deutschland den krieg erklären - desaster area in leipzig



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Leipziger Volkszeitung vom 28.08.2001[druckversion][news]


Leipzig soll Samstag "Gesicht zeigen"

Stadt lädt zu Friedensfest auf den Augustusplatz / Gewalt durch Neonazis und Autonome befürchtet

Zum Protest gegen den geplanten Aufmarsch der rechtsextremen "Bürgerinitiative für deutsche Interessen" hat gestern Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee aufgerufen. "Leipzig muss am Samstag zeigen, das rechtes Gedankengut hier keine Chance hat", forderte er. Um den Aufmarsch der Neonazis doch noch zu verhindern, wolle man alle Rechtsmittel ausschöpfen. "Leipzig ist eine wehrhafte Stadt, wenn es um demokratische Prinzipien geht", sagte Tiefensee bei der Vorstellung der Veranstaltung "Leipzig - Gesicht zeigen", die am Sonnabend ab "fünf vor zwölf" auf dem Augustusplatz stattfinden soll. "Wir können es nicht hinnehmen, dass anti-demokratische Gruppen unsere Stadt als Aufmarschgebiet benutzen wollen", appellierte der sozialdemokratische Oberbürgermeister an die Einwohner. Er rief alle Leipziger auf, die friedliche Großkundgebung auf dem Augustusplatz zu einem eindrucksvollen Nein gegen Rechts zu machen. Diese Veranstaltung unter Schirmherrschaft der Stadt werde von Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und Vereinen organisiert.

"Wir sind 1989 nicht auf die Straße gegangen, damit nun Gesinnungsbraune mit ihren Stiefeln durch die Stadt dröhnen", sagte Nikolaipfarrer Christian Führer, einer der Initiatoren der Veranstaltung. "Alle Kräfte müssen gebündelt werden, um gegen Lügenparolen und demagogische Formeln ein Signal zu setzen."

Der von der rechtsgerichteten "Bürgerinitiative für deutsche Interessen" vom Hauptbahnhof zum Völkerschlachtdenkmal geplante Aufmarsch war von der Stadtverwaltung verboten worden, wogegen der Veranstalter jedoch Beschwerde einlegte. Nach Angaben des Ordnungsbeigeordneten Holger Tschense (SPD) erwarte man am Mittwoch darüber die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts inBautzen. "Wir hoffen auf eine Bestätigung unseres Verbotes." Tschense bewertete es als gut, dass der Veranstalter nicht durch das Parteienprivileg geschützt sei. Sollte die Initiative Recht bekommen, werde man mit allen Mitteln bis zum Sonnabend versuchen, den Aufmarsch dennoch zu verhindern. "Wir gehen bis zur letzten Rechts-Instanz", machte OBM Tiefensee klar.

Daneben seien acht weitere Veranstaltungen für den Sonnabend angemeldet worden, so Tschense. "Die meisten davon Gegenkundgebungen", sagte er. Die darunter demokratisch orientierten Gruppen habe man jetzt bei "Leipzig - Gesicht zeigen" eingebunden, um Einigkeit über Partei- und Vereinsgrenzen hinweg zu demonstrieren. "Die verbliebenen sind nur als Kundgebung und nicht als Demonstration genehmigt", erläuterte Tschense weiter. Welche das sind, wollte er nicht genau benennen.

Um ein gewaltsames Zusammentreffen von rechten Marschierern und Gegendemonstranten zu verhindern, sei auch der Protestzug des Bündnisses gegen Rechts nicht erlaubt worden. Wie berichtet, wollte das Bündnis unter dem Motto "Deutschland den Krieg erklären" durch die City ziehen. "Solche Parolen haben bei uns kein Platz", sagte Tiefensee. "Deshalb sind diese Leute auch nicht bei unserem Friedensfest auf dem Augustusplatz willkommen."

Unabhängig von den Entscheidungen der Gerichte befürchtet der OBM, dass "der Sonnabend in Leipzig nicht friedlich" ablaufen wird. Dies trotz eines aus ganz Deutschland zusammengezogenen Polizeiaufgebots. Im Internet würden mehrere Aufrufe von linksradikalen Gruppen kursieren. "Wir haben Hinweise, dass bis zu 3000 Autonome kommen könnten." Dazu erwarte man aus der rechten Szene bis zu 4000 Personen. Daher werde die Polizei schon vor dem Sonnabend beginnen, Gewaltbereite aus beiden Lagern von der Stadt fernzuhalten.

Martin Wachtelborn

Leipziger Volkszeitung vom 28.08.2001[druckversion][news]