01 | 09 | 2001 deutschland den krieg erklären - desaster area in leipzig



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Redebeitrag des Bündnis gegen Rechts Leipzig[druckversion]


Wenn heute in Mazedonien deutsche Panzer rollen, wird damit nochmals bestätigt, was seit dem Kosovokrieg feststeht: Die deutsche Niederlage im II.Weltkrieg kann als überwunden angesehen werden. Die Tradition der Wehrmacht, in der sich die Bundeswehr sieht, ist kein Anlaß mehr zur Zurückhaltung.
Wo einst PartisanInnen gegen die Wehrmacht kämpften, jubeln heute wieder AlbanerInnen deutschen Soldaten zu. Die Freund-Feind-Schemata sind dieselben: Albanien und Kroatien als Partner, Serbien als Gegner. Auch die Volksgruppenpolitik und ethnische Säuberungen in Nato-Protektoraten folgen derselben Logik wie damals.
Einsätze der Bundeswehr sind zum normalen außenpolitischen Instrument geworden. Für die Stationierung deutscher Truppen in Mazedonien war schon kein besonderes Argument mehr nötig. Nachdem sich beim Einsatz im Kosovo kein ernsthafter Widerstand geregt hat, kann die breite Zustimmung der Deutschen zum Krieg jetzt vorausgesetzt werden.

Beim Streit um den Einsatz in Mazedonien ging es auch gar nicht mehr darum, ob er gerechtfertigt sei. Schon gar nicht ging es darum, ob es für eine deutsche Armee überhaupt solche Rechtfertigungen geben kann. Und es ging erst recht niemandem darum, ob eine deutsche Armee nicht prinzipiell zerschlagen werden sollte. Der Streit entzündete sich allein an der Frage, ob die Bundeswehr für solche Einsätze nicht vorher noch gestärkt werden müsse.
Hinter dieser allgemeinen Zustimmung zum Instrument Bundeswehr steht das Bild von der Rolle Deutschlands in Europa und der Welt. Deutschland versteht sich als DIE politische und ökonomische Zentralmacht des europäischen Kontinents. Diese Rolle kann aber nur dann ausgefüllt werden, wenn sie mit dem entsprechenden militärischen Potenzial untermauert ist.
Die Einbindung in Bündnisse wie die NATO wird dabei zur Legitimation der Militäreinsätze herangezogen. Sie läßt aber auch die treibende Rolle der einzelnen Regierungen unklar werden. In dieser Situation kann eine radikale Linke zwar dazu übergehen, Hauptschuldige auszumachen, die wahlweise Deutschland oder USA heißen könnten. Realistischer ist es jedoch, die Bündnisse selbst UND eine Beteiligung an deren Überfällen zu kritisieren.

Für uns rückt damit etwas anderes ins Zentrum der Antikriegspolitik: Die deutsche Zivilgesellschaft. Diese Gesellschaft ist es schließlich, die durch ihre Zustimmung zum Projekt der europäischen Zentralmacht Deutschland die Militäreinsätze im Rahmen der Nato erst möglich macht. Erinnert sein nur an die Aussage des Nato-Sprechers Jamie Shea während des Kosovo-Krieges: "Ein Verlust der öffentlichen Zustimmung in der BRD hätte den Verlust der Zustimmung im gesamten Bündnis nach sich gezogen."
Wenn wir davon sprechen, den Militarismus der Zivilgesellschaft anzugreifen, bedeutet dies für uns auch, gegen die Großmachtphantasien und das sie stützende rassistische Weltbild vorzugehen. Im Gegensatz zu den traditionellen linken Kritiken an einer Bündniseinbindung der BRD - à la "Bundeswehr raus aus der Nato" - geht es unserer Kritik nicht um eine Stärkung nationalstaatlicher Souveränität. Diese sehen wir im Gegenteil gerade in den gegenwärtigen Bündnissen schon verwirklicht und damit als wesentlichen Teil des Problems. Unser Ziel kann nicht heißen "Ami go home". Unser Ziel heißt: Deutschland zerschlagen!
Doch die herrschende Weltordnung beruht nicht allein auf moralischen Überlegenheitsgefühlen. Sie verdankt sich auch einer ökonomischen Dominanz, die zur Bildung von verschiedenen Zonen kapitalistischer Verwertung führt. Dabei wird nicht nur eine bestimmte Produktions- und Verwertungsordnung verwirklicht. Die neuen Zonen sind geprägt von einer direkten Verwirklichung politischer, sozialer und ökonomischer Normen. Sie sind damit Ausdruck postimperialistischer Dominanzverhältnisse, in denen die alten imperialistischen Staaten noch immer die Zentren sind. Hier werden die Regeln festgelegt und ihre Einhaltung wird von hier aus militärisch kontrolliert.

Der Balkan ist durch seine Aufteilung zur direkten Einflußzone der EU geworden. Durch die Beteiligung am Wiederaufbau der zerstörten Region profitiert die europäische und vor allem die deutsche Wirtschaft zusätzlich. So gewinnen dann auch jene Analysen ihre Bedeutung, die auf die treibende Rolle der BRD bei der Sezession einzelner Gebiete Jugoslawiens hinweisen. Die schnelle Anerkennung Sloweniens und Kroatiens durch die BRD sind dafür genauso Belege wie die Unterstützung der UCK.
Wenn nun - wie z.B. im ehemaligen Jugoslawien geschehen - sich ein Land nicht an die herrschenden Spielregeln der ökonomischen Regeln halten will, muß es mit Konsequenzen rechnen. Der Code für die neue Weltordung sind dabei die Menschenrechte. Sie legitimieren heute nur noch den Führungsanspruch eines als überlegen präsentierten bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsmodells.
Deutschland ging dabei noch einen Schritt weiter. Als die Frage nach der Legitimation des ersten deutschen Kriegseinsatzes seit 1945 gestellt wurde, lautete die Antwort: Nie wieder Auschwitz! So richtig dieser Satz an sich auch ist, diente der Bezug auf die Vergangenheit hier nur dazu, alte deutsche Träume zu beflügeln. Alle, die der Verwirklichung deutscher Vorstellungen im Weg stehen, müssen nun damit rechnen, als neue Hitler gebrandmarkt zu werden. Für die deutsch-nationale Zivilgesellschaft heißt Lernen aus der Vergangenheit also, daß ihm eine neue Rolle in der Welt gebührt.
Für uns kommt es vor allem darauf an, den Widerstand gegen die neue Großmachtpolitik zu organisieren. Dafür müssen wir nicht nur den kapitalistischen Charakter der neuen Weltordnung im Blick behalten. Das Gleiche gilt für den imperialistischen Universalismus bürgerlicher Werte, mit dem sie sich legitimiert.
Wenn heute in Den Haag der internationale Gerichtshof der NATO Slobodan Milosovic wegen Kriegsverbrechen verurteilen will, werden gern Parallelen zum Nürnberger Prozeß gezogen. Der imperialistische Antifaschismus ist also kein rein deutsches Phänomen. Er kann nach Belieben zur Rechtfertigung des Krieges gegen die eine oder andere Seite benutzt werden. Die Zuschreibungen sind dabei beliebig, wie sich am Beispiel der UCK zeigt. Gestern -im Kosovo- noch legitime Vertretung einer von "ethnischen Säuberungen" bedrohten "albanischen Volksgruppe"; heute ein marodierender Haufen Terroristen. An einer Zerschlagung Jugoslawiens bestand eben europäisches Interesse, an einem völkischen Großalbanien anscheinend nicht.

Die Vergleiche mit Hitler und Nazi-Deutschland haben in Deutschland jedoch eine andere Bedeutung als in den Staaten der Alliierten des II. Weltkriegs: Sie sind hier Teil des nationales Projekts. Der deutsche Regierungsantifaschismus, wenn er im Rahmen des imperialistischen Universalismus verwandt wird, ist immer Instrument völkisch orientierter Politik.
Der Gegensatz zwischen Zivilgesellschaft und Nazibewegung widerspricht dem nur scheinbar. Diese Zivilgesellschaft vertritt nur eine andere Spielart des deutschen Nationalismus. Deutschland soll heute, nachdem es sich als "geläutert" präsentiert hat, auf anderem Wege eine führende Macht in Europa und der Welt werden. Dieser Weg zur Umsetzung des nationalen Projekts "Großmacht Deutschland" ist nun einmal ein völlig anderer als der von Nazideutschland eingeschlagene. Deshalb stören die Nazis mit ihrer Ablehnung der Nato und ihrem positiven Bezug auf den Nationalsozialismus nur.
Am heutigen 1. September, wo Nazibewegung und Zivilgesellschaft aufeinander treffen, wird diese gesellschaftliche Situation offensichtlich. An diesem Punkt gilt es für uns klar zu machen, daß der zivilgesellschaftliche Antifaschismus ein imperialistisches Projekt ist. Ein Projekt, mit dem Situationen definiert werden, in denen die kapitalistisch-bürgerliche Ordnung militärisch durchgesetzt werden soll.
Wir können heute nicht einfach nur gegen die Nazibewegung vorgehen. Wir müssen unseren Begriff von Antifa verteidigen, indem wir gegen den Militarismus vorgehen, der sich neuerdings hinter ehemals linken Forderungen verbirgt. Am 1.September, dem Weltfriedenstag, kann es nur eine Forderung geben:

Deutschland den Krieg erklären!


Redebeitrag des Bündnis gegen Rechts Leipzig[druckversion]