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Interview mit Von Spar

"man muss sich selbst immer kritisch hinterfragen"

Über das „I can´t relax in Deutschland-Projekt“ und dessen Wirkungsmöglichkeiten sprach ich mit Thomas Mahmoud, Sänger der Post-No-Wave-, „Psycho-Funk“-Band Von Spar, die auf dem Sampler "i can't relax in deutschland" vertreten ist.

Warum ist Von Spar auf dem „I can´t relax in Deutschland“-Sampler vertreten? Versteht ihr euch als explizit politisches Projekt?

Wir tragen bewusst was zu diesem Sampler bei, weil wir keinen Bock auf noch mehr Armut, noch mehr Reichtum, auf noch mehr Polizei, noch mehr Kriege und vor allem noch mehr Deutschland haben.
Ich war, seit ich denken kann, politisch interessiert und auch aktiv. Das trifft auf die ganze Band zu – also jeder macht sich kritische Gedanken über die herrschende politische Kultur und übt von diesem Standpunkt aus auch Kritik an ihr.
Generell ist es aber immer schwierig eine Band als politisches Phänomen zu begreifen. Es geht in erster Linie eben darum künstlerisch tätig zu sein. Da wir aber eben politische Menschen sind, hat das eben Einfluss auf unser künstlerisches Schaffen.
Von Spar soll in diesem Sinne nie ein festes Konstrukt bleiben, das in sich abgeschlossen ist, sondern eines, das sich selbst immer wieder neu erfindet. Von Spar war als Projekt gedacht, das diesen End-70er/ 80er-Revival Zeitgeist treffen wollte. Während sich eben bestimmte Bands dessen bedien(t)en und das positiv mit Deutschland in Bezug setzen, wollten wir zeigen, dass es auch anders geht. Dabei haben wir bewusst mit dem popkulturellen Zeitgeist gespielt.

Das „I can´t relax in Deutschland“ kritisiert besonders die neuen nationalen Töne in der popkulturellen Szene. Gab es aus kulturellen Kreisen kritische Reaktionen auf eure Teilnahme an dem Projekt. Mia ist da ja ein gern bemühtes Beispiel…

…es ist echt schwer, dass die Kritik an diesem Nationalisierungsrollback immer an Beispielen wie Mia festgemacht wird. Es gibt – für uns – wichtigere Gründe auf diesem Sampler vertreten zu sein, also Kritik an Deutschland zu üben. Und da ist Mia eher ein Randphänomen, das viel zu sehr als Projektionsfläche genutzt wird. Es geht um den Umgang mit Geschichte … dass Historiker wie Jörg Friedrich und Guido Knopp permanent auftreten und aus Tätern Opfer machen, Deutschland in diesem Zuge wieder positiv ins Licht rücken, Trümmerfrauen reklamiert werden, um so einen sentimentalen Rückblick auf die Stärke der deutschen Nachkriegsnation zu initiieren oder stilisiert wird, dass Deutschland an einem (dem Irak-Krieg) nicht teilgenommen hat. Dieser Stolz auf das konstruierte Deutsche – der greift auf den Popdiskurs über. Und in diesem Fahrtwasser wird dann eben darüber geredet, dass man sich wieder als deutsches Kulturgut verstehen sollte.

Wie beurteilst du die Wirkung des Samplers - kann er eine wahrnehmbare Gegenposition setzen?

Es wäre ja total cool, wenn 80 Millionen Menschen in Saturn rennen würden, um sich die CD zu kaufen und dann anti-nationalistisch drauf wären und „Deutschlands Mauern fallen“ sehen wollen würden. Ich bin da aber skeptisch. Die Leute, die sich dafür interessieren, sind meist die, die sowieso sensibilisiert sind. Es gab ja schon viele ähnliche Ansätze, die gescheitert sind. Ich würde mir natürlich wünschen, dass es funktioniert, eben weil es wichtig ist, dass es eine kritische Stimme gegen den Mainstream gibt. Gerade angesichts des nicht abreißenden, sich positiv auf die deutsche Nation beziehenden Trends, wie aktuell die Kampagne „Du bist Deutschland“ zeigt.

Nun wäre es ja schön, wenn der Sampler – polemisch gesprochen – eine antinationale Jugendbewegung initiieren könnte. Das ist dann natürlich auch immer eine Gradwanderung wenn sich aufgrund kultureller Codes mit dem Anliegen identifiziert wird, ohne sich wirklich mit dem Inhalt auseinander zu setzen …

Ja das ist richtig, die Dinge verschwimmen auch. Die KünstlerInnen sind eben teilweise auch der Musikindustrie unterworfen und landen dann in politisch widersprüchlichen Zusammenhängen. Nimm dir Tocotronic, die da auf dem „Neue Heimat“-Sampler vertreten waren und nun auf dem „I can`t relax in Deutschland“-Sampler drauf sind. Wie soll das eine/n normale/n Endkonsument/in klar erreichen, da steht das reine Hörvergnügen gegen das politische Statement. Bei politischen Leuten kommen solche Positionierungen natürlich ganz anders an, da gibt’s ein Verständnis, eine Offenheit dafür. Wenn ich durch die Kölner Schildergasse gehe, was für mich den absoluten Mainstream repräsentiert, merke ich wie weit weg das eigentlich von so einer politisierten Szene ist. Da gibt’s kaum überwindbare Barrieren.
Aber auch auf der Pop-Up-Messe vor 2 Jahren in Leipzig war ich echt erschrocken über so manche Indie-Labels oder Leute, die sich in so einem subkulturellem Milieu bewegen, und deren unkritische Position zu Deutschland und generell zur Nation. Da sind mir zum Beispiel „Virginia jetzt“ aufgefallen.
In diesen Subkulturen hast du oft so einen Abgrenzungsreflex à la „Wir sind die Guten“ – „Ihr seid die Bösen“. Das erhoffe ich mir eben auch von dem Sampler-Projekt - dass man sich selbst nicht immer als das Positive setzt und damit ausruht. Man sollte sich selbst als Projekt permanent selbst hinterfragen und als offene Kategorie verstehen, um kritisch zu bleiben.

Ich danke dir für das Gespräch.

== Jule - Linksdrehendes Radio/ Radio Blau==
[Nummer:19/2005]
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Datei wurde angelegt am: 09.01.2006