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left action - linksradikale Gruppen in  Leipzig - Archiv
 

22.09.2002

Deutscher Arbeitswahn und völkische Friedenssehnsucht

Redebeitrag, gehalten auf der Demonstration "Gegen Arbeitswahn und Kapitalismus" in Leipzig

Der deutsche Sonderweg äußert sich zentral über ein besonderes Verhältnis zur Arbeit und zu Völkern. Reden wir zuerst über deutsche Arbeit. Arbeit ist in Deutschland kein notwendiges Übel, sondern Bestandteil eines deutschen Wir-Gefühls. Gerhard Schröder drückte es auf einer Wahlkampfveranstaltung per Forderung an die Wirtschaft so aus:
„Mein Appell an die deutsche Wirtschaft: Spielt Euch nicht als die fünfte Kolonne der Opposition auf, sondern sorgt für die Ausbildungsplätze in den Betrieben. Das ist eure Pflicht“ (5. August 2002, in Hannover). Was meint der Kanzler mit „Pflicht“? Im Kapitalismus sollte es einem Unternehmer, der noch alle Tassen im Schrank hat, rein logisch darum gehen, Profit zu erwirtschaften, möglichst viel Geld zu verdienen, sich ein Haus zu bauen, hin und wieder teuren Urlaub zu genießen und eventuell Geld für Verwandte und Bekannte übrig zu haben. Aber in Deutschland gibt es eine deutsche Pflicht; nämlich, im Sinne des deutschen Volkes zu handeln. Und die deutsche Pflicht des deutschen Unternehmers und des deutschen Staates ist: den Deutschen Arbeit zu geben. Und die Pflicht des deutschen Arbeiters ist es, nicht etwa für ein möglichst angenehmes Leben sondern für Deutschland zu arbeiten. In Berlin waren vor ein paar Monaten im Zuge eines drohenden Arbeitnehmer-Streikes einige Werbeflächen mit dem Slogan „Streik schadet Deutschland“ beschriftet. Bezahlt war die Werbung vom Deutschen Arbeitgeberverband. Irgend etwas muss sich der deutsche Arbeitgeberverband dabei doch gedacht haben? Und was? Die Arbeiter haben ein deutsches Gewissen, an das appelliert werden kann. Der deutsche Arbeiter streikt dann nicht mehr für höheren Lohn, wenn er weiß, es schadet dem deutschen Vaterland. Schon Karl Marx hat diesen erbärmlichen Zustand als einen beschrieben, in dem innergesellschaftliche Konflikte zu Gunsten der nationalen Interessen vermieden werden. Marx’ antwortete auf diese Zustände (Zitat): „Krieg den deutschen Zuständen!“ (Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung).
Schröder hat das deutsche Verhältnis zur Arbeit im zweiten TV-Duell wieder mal auf den Punkt gebracht: „Innenpolitisch bedeutet [...] der deutsche Weg [...] den Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit“. Und warum kann man da etwas ausgleichen. Sowohl Arbeit als auch deutsches Kapital werden nicht als kapitalistisch erfasst, sondern als Bestandteile deutscher Kultur. Das ganze grenzt Schröder dann auf einer Wahlkampfveranstaltung noch vom sogenannten amerikanischen Raubtierkapitalismus ab:
„Die Zeiten, in denen uns, was die Wirtschaft angeht, Amerika und andere als Vorbild dienen sollten, die sind nun wirklich vorbei. Das Ausplündern kleiner Leute in den Vereinigten Staaten, die sich jetzt Sorgen um ihre Altersversorgung machen müssen, während ein paar Spitzenmanager nach Firmenpleiten Millionen und Milliarden nach Hause tragen, das ist nicht der deutsche Weg, den wir für unser Volk haben wollen, meine Damen und Herren“ (Hannover).
Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Demonstration. Das Kapitalismus Scheiße ist, darin sind wir uns alle einig. Uns, der Antideutsch-kommunistischen Gruppe Leipzig, geht es, wie unser Name schon sagt, gegen die deutschen Verhältnisse, gerade weil es um den Kommunismus geht. Die USA, in der „Kapitalismus ohne schlechtes Gewissen“ (Löwenthal) herrscht, ist uns alle Mal lieber als deutsche Verhältnisse. Uns bereitet ein amerikanischer liberaler Kapitalismus viel weniger Sorgen, als ein deutscher Sonderweg, der vor sechzig Jahren in der Vernichtung von Sechs Millionen Juden gipfelte. Das was Schröder in der eben zitierten Aussage ausdrückte, ist ein antisemitisches Ressentiment. Er warnt vor denjenigen, welche die Volksgemeinschaft ausbeuten, indem sie (Zitat Schröder) „nach Firmenpleiten Millionen und Milliarden nach Hause tragen“. Diese Zitat ist einem Anderen von 1803 von Friedrich Buchholz, einem deutschen Antisemiten, verblüffen ähnlich. Dieser schrieb: „Der Reichtum der Juden ist Resultat der losesten und verächtlichsten Wucherkünste. Deutscher Reichtum ist Frucht eines gleichmäßig unterhaltenen produktiven Fleißes. Der Jude hat im Gegensatz zum Christen auch nicht den schwächsten Antrieb ihn zum Bestand des Ganzen anzulegen“. In beiden Zitaten wird der Wucher an den Pranger gestellt. Die Volkgemeinschaft konstituiert sich notwendig gegen ihre halluzinierten Feinde. Positiv wäre angeblich ehrliche deutsche Arbeit. Damals wie heute bedeutet ehrliche Arbeit, gegen Schmarotzer zu sein. Da sind sich deutsche Arbeitnehmer, deutsche Arbeitgeber und der deutsche Staat völlig einig. Leute die sich Milliarden in die eigene Tasche wirtschaften, ohne Verantwortung für das deutsche Volk zu zeigen, sind die Feinde der Deutschen. Leute, die keine Lust auf Arbeit haben und auf Kosten des Staates leben sind ebenso Feinde des deutschen Volkes.
Die deutsche Gemeinschaft aus hart arbeitenden Staatsmännern, hart arbeitenden Unternehmern und gehorsamen Arbeitern hat zwischen 1933 und 1945 eine besondere Möglichkeit kapitalistischer Krisenbewältigung gestartet: Die antisemitische Gemeinschaft von Staat, Arbeitern und Unternehmern. Der antisemitische Wahn dieser Gemeinschaft wurde 1945 durch militärische Mittel gestoppt. Aus diesem Ereignis kann man drei Sachen lernen. Erstens: Überall dort, wo sich Gemeinschaften bilden, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sich auf den Antisemitismus verständigen und das Kollektiv über das Individuum stellen, muss eingegriffen werden. Zweitens kann man aus der Niederschlagung des Nationalsozialismus lernen, dass Kriegerische Mittel nicht per se schlecht sind. Und drittens kann man aus der Geschichte des Nationalsozialismus lernen, dass ein früheres Intervenieren viel Leid hätte verhindern können.
Wir verlassen nun in unserem Redebeitrag das vorgegebene Themenfeld Arbeit und kommen zur deutschen Friedenspolitik. Das ist uns wichtig, weil die deutsche Friedenssehnsucht, auch die der Linken, nicht dem Anliegen des Humanismus dient, sondern völkischer Ideologie. Diese völkische Friedenssehnsucht erstarkt derzeit in Deutschland auf hässlichste Weise. Die Lager von links bis rechts rücken zusammen, indem die angeblichen Feinde des Friedens ausgemacht sind: Israel und die USA. Wir werden uns gegen diesen antizionistischen und antiamerikanischen deutschen Friedenstaumel zur Wehr setzen.
Die Konstellation im Nahen Osten ist grauenhaft. Rings um den Staat Israel, der den Juden seit 1948 endlich sicheren und nach Auschwitz zwingend notwendigen Schutz vor Antisemitismus gewähren soll, formiert sich seit Jahrzehnten mehr und mehr eine große antisemitische Gemeinschaft. Schon 1948, einen Tag nach der Gründung Israels, sind Armeen von sechs verschiedenen arabischen Ländern in Israel eingefallen. Eine dieser Armeen war die irakische. Seit mehr als einem Jahrzehnt versucht die UNO den Irak verstärkt unter Druck zu setzen. Zu Recht! 1990 bewies das der Irak im Golfkrieg, indem sie erst Kuwait überfielen und dann im Krieg gegen die Alliierten Israel zum Ziel ihrer Raketen wählten. Warum? Israel war nicht an der militärischen Auseinandersetzung mit dem Irak beteiligt. Es gab einen anderen Grund: Der Irak setzte mit diesen Raketen den Angriff von 1948 auf Israel fort. Es ist eines der primären Ziele des Iraks, Israel von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Das beweist der Irak auch, indem er den verbliebenen Familien palästinensischer Selbstmordattentäter 25.000 Dollar zukommen lässt. Neben Embargobestimmungen und Flugverbotszonen versuchen die vereinten Nationen seit 1991 den Irak auch mit Waffen-Inspektionen in seinen militärischen Absichten zu stoppen. Zu Recht! Der Irak besitzt chemische und biologische Waffen und versucht Atombomben zu bauen. 1994 hat der israelische Geheimdienst die Inspekteure darauf hingewiesen, dass ihre Tätigkeit durch eine systematischen Verschleierungsstrategie des Iraks konterkariert wurde. 1998 war endgültig Schluss mit der Inspektion, indem der Irak den Inspekteuren vorwarf, für den amerikanischen Geheimdienst zu arbeiten und alle Inspekteure des Landes verwies. Nach den Attentaten des 11.Septembers erhöhte die USA ihren Druck auf den Irak. Und was sagt Schröder in antiimperialistischer Manier den Amerikanern in einem Interview mit der New York Times vom 4.9.2002 : „Hände weg vom Irak". Würde dies den deutschen Händen gelten, wäre es völlig richtig. Deutschland hätte seit 1945 das Maul zu halten. Tut es aber nicht. Schröder richtet die Worte „Hände weg vom Irak“ an die USA. Wie sind diese Worte Schröders nach dem Jugoslawienkrieg zu verstehen. Antikriegsmanier kann es nicht sein. Es geht der deutschen Politik um Völker. 1991 war die deutsche Politik die erste, welche sich in Jugoslawien zum Völkerrechtler aufschwang, indem sie den Kroaten und den Slowenen einen Völkerstatus zuerkannte. Bekanntlich haben diese völkischen Bestrebungen zum Krieg geführt. Bezüglich des Iraks geht es den Deutschen wieder ums Völkerrecht; dass nämlich die Souveränität beim irakischen Volke liege. Von der deutschen Linken ist man es ja gewohnt, dass diese sich seit Jahrzehnten dem antiimperialistischen Völkerschutz, anstatt dem Kommunismus - also dem radikalen Humanismus - verschrieben hat. Und so ist es nicht verwunderlich, dass heute die deutsche Politik den Linken deren Profilierung schwer macht. Aus linkem Dunstkreisen entspringt ja die heutige deutsche Führungsriege. Die Gemeinsamkeit von der Außenpolitik der Deutschen im Irak und in Jugoslawien liegen auf der Hand. Deutschland geht wieder einen Sonderweg, und zwar den völkischen. Schröder hat das auf einer Wahlkampveranstaltung klar gemacht: „...dieses Deutschland, unser Deutschland, ist ein selbstbewusstes Land. [...] die Zeit der Scheckbuchdiplomatie ist endgültig zu Ende“ (Hannover). Deutschland soll also nicht mehr ein im Schatten stehender Geldgeber der USA, sondern ein selbstbewusstes Land sein. Gegen diesen deutschen Weg müssen Kommunisten ankämpfen!
Kommen wir zum Punkt. Es ist uns bewusst, dass, solange es Kapitalismus gibt, antisemitisch-antizivilisatorische Bestrebungen nicht verschwinden werden. Wir sind uns bewusst, dass durch eine Intervention der USA im Irak kein ewiger Frieden zustande kommen wird. Wir sind uns bewusst, dass es der USA um nicht wesentlich mehr als um die langfristige Sicherung des Öl-Marktes und um die Sicherheit gegen islamistische Terroristen geht. Trotzdem verbindet sich für uns mit der Politik der USA im Nahen Osten die Hoffnung, dass antizionistische Bestrebungen ihr Ziel, Israel von der Landkarte zu tilgen, nicht erreichen und dass faschistische Krisenbewältigungsstrategien, wovon der deutsche Nationalsozialismus die barbarischste Form war, so früh wie möglich erkannt und verhindert werden.
Nicht die deutsche Völkerfreundschaft, sondern der amerikanische Druck ist dafür verantwortlich, dass der Irak beginnt nachzugeben. Wenn ein Krieg notwendig ist, um die antizionistischen Pläne des Iraks zu stoppen, dann werden wir nicht dagegen sein. Wenn Israels Existenz scheitern würde, dann hat die kapitalistische Barbarei in Form des Antisemitismus jenen Schutzwall überwunden, der nach Auschwitz gewähren sollte, dass Ähnliches wie Auschwitz sich nicht wiederhole. Solange in den USA in der Haupttendenz eine Barbarisierung nicht aus zu machen ist und die USA zur Zielsetzung eine bessere Kapitalakkumulation hat, kann man sich bei der Anwendung ihrer Mittel gewahr sein, dass diese nicht als Zweck die Vernichtung von Menschen haben. Im Gegensatz dazu geht aber der Wille zur Vernichtung vom Islamismus und vom irakischen Nationalismus aus. Es wäre absolut falsch, den erstarkenden Islamismus im Nahen Osten und den Nationalismus im Irak plump mit dem deutschen Nationalsozialismus gleich zu setzen. Doch gerade weil Ähnlichkeiten bestehen, besonders bezüglich des sowohl für den Nationalsozialismus als auch für den Islamismus konstitutive Antisemitismus, ist es für Kommunisten als auch für bürgerliche Antifaschisten die Pflicht, sich einen kritischen Begriff von der sich konstituierenden Massenbewegung im Nahen Osten zu machen und dagegen anzugehen.
Es sei abschließend klipp und klar gesagt: Wer gegen die Beseitigung Saddam Husseins ist, wünscht Israel die Pest an den Hals. Bei ihrem Unterfangen, Saddam Hussein zu beseitigen, wünschen wir der USA viel Glück.

Lang lebe Israel!
Für den Kommunismus!

Antideutsch-Kommunistische Gruppe Leipzig

 

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